Mehr Krabbler als Knöpfe
Ich kann mich noch gut an das Auspacken der Kickstarterpackung des großen Gloomhaven erinnern, auch an das lange aus- und einpacken der vielen Boxen und Umschläge. Vielleicht schreckt die Erinnerung auch den einen oder anderen Stubenzocker davon ab, sich an die Pranken des Löwen zu wagen.
So freute es mich, auf der Spielemesse 2024 in Essen die kleine Solobox zu sehen. Eine kleine 36-seitige Anleitung, das wird schon ein kurzer Spielspaß …
Ich schnappe mir den Raufbold als Charakter und baue mir wie oben ersichtlich alles für den ersten Kampf auf. Doch die kurze Anleitung hat es in sich, auch wenn es nur 36 Seiten in 10×7 cm sind. Ein Blick auf die „ausführliche Anleitung im Web“ sind dann auch schon 45 DIN A4-Seiten. Also gucke ich ein, zwei, drei Videos und merke schnell, dass die zu viele Fehler machen. Also lese ich die kurze Anleitung noch einmal und arbeite mich durch den ersten Kampf. War dann doch nicht so komplex, aber vom Spielprinzip schon besonders:
- Wir haben vier Karten und suchen uns zwei für Aktionen aus. Hier wählen wir von einer Karte die obere, von der anderen die untere Hälfte. Im Grunde genommen bewegen wir uns (immer untere Hälfte) und kämpfen dann (obere Hälfte). Hierbei gibt es natürlich viele unterschiedliche Optionen und Kombinationsmöglichkeiten.
- Nach den beiden Aktionen drehen wir die Karten von der A-Seite auf die B-Seite. Wir haben dann zunächste weiterhin vier Karten (2 A, 2 B) und durch die B-Seite zwei andere Optionen für die nächste Runde.
- Nutzen wir die B-Aktion, wird die Karte abgeworfen. Dafür hatte ich im ersten Spiel gar keinen Platz links neben dem Spielplan (Charakterkarte) gelassen. Es gibt auch Funktionen mit temporären und permanenten Boni (oben anlegen bei unserer Charakterkarte), man kann Karten verlieren (rechts) oder Gegenstände erhalten (unten).
- Über eine Rast können wir Karten zurück auf die Hand erhalten, müssen aber eine Karte „verlieren“. In Summe haben wir somit maximal neun Runden.
Wenn die Stufe des Szenarios ansteigt, dann steigen wir auch eine Level auf. Wir erhalten mehr Lebenspunkte, können dann je Stufenanstieg eine Fertigkeitskarte upgraden, die Angriffsmodifikatoren ändern sind, wir können mehr Gegenstände tragen usw.
Im 4. Szenario zeigte sich für mich erstmals die tiefe strategische Komponente. Mit meinen 4 Karten, die ich maximal zweimal als A- und B-Seite nutzen kann, bevor ich sie in einer Rast teilweise wiedererhalte, muss die Kombination aus obere und untere Aktionsmöglichkeit der zwei Karten weise überdacht werden. So wählte ich mir einen permanenten Angriffsbonus und merkte aber, dass dieser Bonus alleine gegen vier Gegner nicht hilft. Ein permanentes Schild wäre cleverer gewesen, also wird der nächste Versuch gestartet.
Die beiden Designer Joe Klipfel und Nikki Valens sind für eine ganze Reihe andere komplexe Spiele (Villen des Wahnsinns, Eldritch Horror, Arham Horror) bekannt. Ich hätte vermutet, dass Gloomhaven-Mastermind Isaac Childres auch bei der Solo-Variante beteiligt gewesen wäre, scheint aber nicht so zu sein. Leider ist Gloomhaven ein Zeitfresser, sonst hätte ich ja mal wieder Lust …
Fazit:
Kleine Packung, schnell aufgebaut und auch schnell eine komplexe Herausforderung. Mit 20 Minuten (gefühlt eine Stunde) immer wieder ein Erlebnis, auch wenn im entscheidenden Augenblick das Würfelpech schon sehr frustriert. Umso mehr freut man sich bei Würfelglück, und auch dies kann man alles über die Fertigkeiten und Bewegung im Raum beeinflussen. Noch bin ich mit dem ersten Charakter, dem Raufbold, unterwegs. Aber ich freu mich schon auf die nächste Figur. Aber jetzt muss ich mich erst einmal um die Ungeziefer im Szenario 6 kümmern … Klare Kaufempfehlung für Solospieler. Kleines Manko: Die Regeln sind komplex und nicht selbsterklärend. Die Anleitung erklärt vieles, aber ein paar mehr Beispiele wären gut gewesen. Und so passieren viele Fehler und man vergisst auch immer wieder, den einen oder anderen Bonus oder ein Schild zu berücksichtigen.
Stubenscore: 8,0 / 10
Brettspiel (getestet)
Der Vorteil an der digitalen Version ist sicherlich, neben des einfacheren Erlernens der Regeln, dass diese auch automatisiert eingehalten werden 🙂
Was die physische Version angeht, werde ich eines Tages tatsächlich mal an die Pranken des Löwen heranwagen müssen (auch wenn das als DLC digital angeboten wird) . Es hat ja auch was sich mit dem Brettspiel hinzusetzen, zumal das Spiel- und Kampfsystem von Gloomhaven einfach gut ist. Die Pranken des Löwen hat für mich auch die „ideale Größe“ zwischen dem Monster des Originalspiels und dem für mich zu kleinen Knöpfe und Krabbler.