Was ist Zeit?
Wenn mich eines, als Stubenzockerbub begeistert hatte war es „es war einmal der … Mensch“. Diese für mich magische Zeichentrickserie mit dem Titelsong von Udo Jürgens hat mich früh für die Geschichte der Menschheit fasziniert. Eines Tages sah ich das Artwork zum Brettspiel „Trekking: Reise durch die Zeit“ und die alten, wohligen Gefühle kamen zurück. Das musste ich haben. Stellt sich nur die Frage: ist auch ein gutes Spiel dahinter? Schauen wir es uns an.
Das Spiel, was man schon zart aus dem Namen herauslesen kann, schickt uns als Zeitreisende durch die Geschichte der Menschheit. Dabei versuchen wir kurz gesagt so lange wie mögliche zeitlich aufsteigende Kartenreihen anzusammeln und damit möglich viel Punkte zu sammeln.
Das Spiel teilt sich in „3 Tage“ und jeder Tag hat dabei sein eigenes Kartendeck. Auf dem zentralen Tableau sehen alle Spieler die aktuell verfügbaren Karten für Ihre Zeitreisen. Doch aufgepasst. Jede Karte, die man zieht, kostet Zeit. Und jeder Spieltag hat nur „12 Stunden“. Je länger der eigene Zeitreisestapel anwächst, desto mehr Punkte kriegt man.
Doch an dieser Stelle sollte die zweite Punktemechnik erwähnt sein. Pro Spieltag hat jeder sein eigenes kleines Punktetableau, auf dem die Ressourcen gesammelt werden, die jede Karte abwirft. So kann es sich schnell lohnen auch eine Zeitreise frühzeitig abzubrechen, wenn man damit eine Kombination voll bekommt. Im Beispiel-Bild oben kann der Spieler mit „1953“ seine Reihe fortsetzen und noch einen gelben und grünen Token einsammeln, die ihm 11 plus 4 Punkte einfachen. Doch oh Schreck. Das kostet „4 Stunden“. Zum Glück kann man das durch den Einsatz von „Zeitkristallen“ minimieren, die man ebenfalls auf dem Tableau sammeln kann.
Auf der zentralen „Uhr“ wird der Zeitverbrauch pro Tag festgehalten. Wer am weitesten zurück ist, oder bei Gleichstand „oben auf“ ist kommt dran und so ist es auch durchaus möglich, dass man zweimal hintereinander Reisen darf. Sind alle auf der 12 endet der Tag.
Das spielt sich schnell, elegant und stets interessant, da alle Spieler auf dasselbe zentrale Kartenlager zugreifen und die Optionen sich stets verschieben. Somit schafft das Spiel für mich den Spagat zwischen Leichtigkeit und Kopfzerbrechen, den ich oft bei Spielen suche.
Das Spielmaterial hat es mir ebenfalls angetan. Die Neoprenmatte hat den Testeinsatz im Kaffee gemeistert, die Karten sind robust, nur das Plastik der Chips ist eher mittlerer Art und Güte.
Als selbsternannter History-Buff (and Armchair General) bin ich sehr froh von der Auswahl der historischen Begebenheiten. Die bei uns tradierte westzentrierte Geschichtssicht wird deutlich angereichert. Es mag den einen oder anderen überraschen, aber außerhalb von Europa stand für Jahrtausende die Geschichte nicht still. Zudem werden nicht nur irgendwelche Geschichtsdaten dröge heruntergerattert (zum Beispiel sowas wie „1803 Reichsdeputationshauptschluss“, „1575 Tokugawa Ieyasu besiegt den Takeda Clan bei Nagashino entscheidend“ oder „1494 Vertrag von Tordesillas“), sondern viel lebensnaher „1909 lass dich von Sigmund Freud analysieren“. Auf der Rückseite jeder Karte wird das Geschehen für interessierte Stubenzocker näher beschrieben. Toll. Mein persönlicher Favorit an Artwork und Name ist „Trainiere Suffrajitsu“. You go girl.
Wertung:
8,5 Taschenuhren von 10 auf der „Was ist Zeit? Ein Augenblick, Ein Stundenschlag – Tausend Jahre sind ein Tag“ Skala.
In der Tat ist der Bezug zu „Es war einmal …“ ganz treffend und ich mag unterschwelliges spielerisches Lernen. So richtig motiviert waren wir aber ja nicht, den historischen Hintergrund zu jedem Zeitschnipsel zu lesen. Wäre es vielleicht wert gewesen.
Die Mechanik fand ich auch ganz erfrischend und nicht zu komplex. Ein bisschen Glück ist aber schon dabei, ob man bei seinem Zug die richtige Auslage hat. Auch wenn man die Reihenfolge – und somit auch Züge hintereinander – leicht beeinflussen kann. Für mich eine klare 7,5. Was sonst.
Wirklich ein schönes Spiel mit tollem Artwork und fast perfektem Material. Etwas schade, dass neben den soliden Karten und der Neoprenmatte dann doch günstig aussehende Plastikchips im Plastiktray zum Einsatz kommen. Vielleicht musste halt auch der UVP von 40€ eingehalten werden, aber mit Holz oder Metall wäre es noch schönerer Hingucker und hätte ein 8 vor dem Komma verdient.